Auftakt im Morgengrauen
Anmerkung: Dieser Pilgerbericht stammt von Raphaela Maria Lüthi aus Winterthur. Sie ist begeisterte Pilgerin und erzählt uns hier von ihren Erfahrungen auf dem Camino Frances. Es folgen noch weitere Berichte unter der Rubrik Camino Frances. Viel Spass beim Lesen.
- Von Raphaela Maria Lüthi
Bereits um 7:30 Uhr gehe ich zum Frühstück. Draußen ist es noch stockdunkel. Hier in Spanien geht die Sonne um einiges später auf als bei uns. Ach du meine Güte denke ich mir, das kommt ja schon ganz gut. Glücklicherweise habe ich meine Stirnlampe dabei. Während ich mein Frühstück genieße, lasse ich mir noch ein Sandwich für unterwegs zubereiten. Der Gedanke unterwegs zu picknicken macht mich froh.
Die Pfeile weisen mir den Weg
Schliesslich laufe ich um 8:30 Uhr in der Morgendämmerung los. Ich bin voller Vorfreude und ganz aufgeregt wie der Weg sein wird. Mein GPS ist eingerichtet und habe ich umgehängt. Sehr schnell merke ich, dass hier auf dem
Jakobsweg alles perfekt markiert ist. Hier ein Meilenstein, dort eine Muschel und immer wieder gelbe Pfeile. Wow! Da habe ich auf anderen Pilgerwegen, wie dem Franziskusweg, schon anderes erlebt. Da würde ich ohne GPS heute noch irgendwo in den Wäldern von Umbrien herumirren.
Wenige Pilger sind unterwegs
Es ist angenehm – einfach loslaufen können ohne groß auf den Weg zu achten. Mein Weg führt mich, ohne viele Höhenmeter, vorbei an einfachen Bauernhöfen. Die Sonne scheint und es ist angenehm warm. Unterwegs werde ich immer wieder von einzelnen Pilgern und kleineren Grüppchen überholt. „Buen Camino“ und ein freundliches Lächeln werden ausgetauscht.
Den eigenen Flow spüren
Viele sind echt schnell unterwegs und bestimmt schon wochenlang auf dem Weg. Ich lächle und lasse sie an mir vorbeiziehen. Da ich mich darauf eingestellt habe, alleine zu laufen, gehe ich mein eigenes Tempo und bin in meinem eigenen Flow. So werde ich im Laufe der nächsten Tage immer wieder von vielen, ein bis zweimal am Tag überholt. Einmal am Morgen und einmal nach der Mittagspause. Nicht jeder hat den gleichen Rhythmus. Am Ende des Weges werde ich die meisten von ihnen kennen und die Wiedersehensfreude wird grandios sein. Endlich entdecke ich ein wunderschönes Plätzchen an einem kleinen Bach. Für mich ist es nun Zeit mein Sandwich zu genießen und es könnte nicht leckerer schmecken. Einfach wunderbar.
Wunderschönes Dörfchen als Ziel
Nun geht es weiter. Einige Kilometer stehen mir noch bevor. Aber ich komme gut voran. Um drei Uhr nachmittags erreiche ich Porto Marin. Auf dem letzten Stück überquere ich noch den Fluss Río Miño über eine lange Brücke. Ein bezauberndes Dörfchen mit vielen Herbergen und Pensionen erwartet mich. Angekommen in meiner Unterkunft gönne ich mir erst einmal ein kühlen Cola Zero bevor ich die tägliche Routine wie Duschen und Wäsche waschen in Angriff nehme. Danach besorge ich mir noch ein paar Lebensmittel für das Abendessen und den nächsten Tag.
Froh hier pilgern zu dürfen
Nach einem eher spärlichen Frühstück, aber einem wundervollen Kaffee, mache ich mich um 8:30 Uhr in der Morgendämmerung auf den Weg nach Palas de Rei. Heute ist alles umhüllt von Nebel und eine frische Brise weht mir um die Nase. Es liegt eine mystische und verschlafene Atmosphäre in der Luft. Die Tage sind sehr mild und sonnig, trotzdem merkt man heute, dass die Natur sich noch im Winterschlaf befindet. Ich liebe diese neblige Stimmung in den Wäldern und insgeheim hoffe ich, dass es nicht zu regnen beginnt. Denn ein Regen verändert einfach alles auf dem Weg.
Viel Zeit um nachzudenken
Die heutige Etappe zieht sich lange hin. Teilweise geht es einfach schnurgerade voraus. Solche Wege geben einem viel Zeit über das Leben und das eigene Sein nachzudenken und in sich hinein zu fühlen. Heute bin ich besonders dankbar hier auf dem Camino zu sein und meinen Gedanken nachhängen zu können. Viel früher als gedacht erreiche ich Palas de Rei und meine Pension. Leider habe ich Pech und stehe vor verschlossenen Toren. Aber nach einiger Zeit erreiche ich den Besitzer und beziehe schon bald mein Zimmer.