Die erste Bewährungsprobe wartet auf mich
Gestern Abend sind noch meine zwei Pilgerfreundinnen eingetroffen. Das fand ich richtig nett, denn ansonsten wäre ich mutterseelenalleine in diesem Gutsbetrieb gewesen. Wäre weiters auch nicht schlimm, aber ein bisschen Tratschen macht auch manchmal Spass. Übrigens habe ich mich ein wenig vertan beim Tippen, die Beiden sind jeweils zehn Jahre älter, also Doris eins ist 73 Jahre und Doris zwei 78 Jahre alt. Wobei ich sie nicht wirklich nummerieren möchte. Sie sind beide klasse. Auf jeden Fall haben wir zusammen gegessen. Das war sehr spannend, denn es wurde für mich alles hergerichtet zum selber wärmen. Ein bisschen Pasta, überbackene Käsebrötchen und ein Riesensalat. Als die beiden Pilgerdamen kamen, herrschte plötzlich Stress. Futter musste angeschafft werden. So kochte die Chefin noch Gemüse und zauberte ein paar Sachen auf den Tisch, die wir uns teilten und schmecken liessen. Für aufgewärmte Sachen, war das wirklich ein lukullischer Genuss. Und obwohl wir für das Essen bezahlen, liess es sich Doris zwei nicht nehmen den Abwasch zu erledigen. Gelernt ist gelernt.
Ohne meine Pilgerhasen unterwegs
Heute geh ich gegen zehn Uhr los. Die Damen sind schon lange weg, sie haben früh eingepackt und losgegangen. Da hab ich mich nochmals im Bett gewälzt und noch ein wenig gedöst. Es warten 17 Kilometer auf mich. Ich habe die Etappe ein bisschen verkürzt, da es erstmals bergab geht. Rund 420 Meter. Wenn ich ein Dorf weiter gehen würde wären es nochmals 230 Meter mehr und das möchte ich jetzt noch nicht riskieren. Aufwärts ist zwar anstrengend, aber abwärts für meinen Fuss gefährlich. Es ist eine wunderschöne Etappe heute, es schaut zwar nach Regen aus und es ist ziemlich frisch, aber das bessert sich zunehmend und es wird ein wunderschöner Tag. Zuerst gehts den Hügel hinunter nach Palesio und dann in Serpentinen hoch nach Varignana, einem hübschen Dorf mit Burg und Chiesa S. Maria mit sehenswerter Krypta. Es ist heute wirklich ein schöner Weg, keine Autos, einsame Strässchen, Schotterwege und tolle Aussichten auf die Hügel und Weinberge – einfach toll.
Während ich so dahingehe, fühl ich mich das erstemal ein wenig frei. Es geht gut voran, die Gegend ist reizend und ich spüre das Leben in mir. Schön. Meine Damen seh ich aber nicht. Die sind spurlos verschwunden. Bald erreiche ich das heutige Ziel: Eine schmucke Osteria mit Zimmern. Hier habe ich für uns alle gebucht. Aber sie sind noch nicht da, wahrscheinlich haben sie wieder irgendwo im nirgendwo ein Schläfchen gemacht. Mal schauen, ob man sich wieder sieht.
Erste Höhepunkte warten
Ab Morgen wird es viel schwieriger. Die ersten zwei grossen Etappen mit vielen Höhenmeter stehen an. Zuerst nach Tossignano und dann nach Brisighella. Insgesamt 1800 HM bergauf und fast 2000 HM abwärts. Ich werde sie sicher in drei Etappen machen oder versuchen sie ein wenig abzukürzen. Fast sechzig Kilometer gehen bei mir leider nicht mehr. Und vor allem: Ich muss zuerst auch eine Nächtigungsmöglichkeit finden. Buon Cammino.
Übernachtung und Essen: Osteria da Cesare
Kosten rund 45 Euro mit Frühstück, sehr schönes Hotel mit guter Küche, nicht billig.