Kein Hochgefühl bei der Ankunft in Santiago
Die letzten zwei Pilgertage auf meinem Weg nach Santiago di Compostela sind schnell erzählt. Rund 46 Kilometer fehlen noch bis ans Ziel. Diese teile ich in zwei Etappen auf. Die erste ist wiederum mit 28 Kilometer ziemlich lang und bietet auch nicht wirklich fürs Auge viel. Am Abend mache ich halt in einem kleinen Strassendorf. Rund zehn Häuser, davon vier Bars, drei Hostels und direkt neben meiner Unterkunft ein Bordell, in dem es Nachts ziemlich hoch her geht. An Schlaf ist kaum zu denken. Ich fühle mich ziemlich leer. Mit der letzten Etappe geht die Pilgerei nun endgültig zu Ende und ich spüre kein Hochgefühl in mir.
Kathedrale wird saniert
Die letzten Kilometer gehen mehr oder weniger an der Hauptstrasse entlang. Es ist nur ein kurzer Weg, aber Power habe ich keine mehr und so schleppe ich mich voran. Als ich bei der Kathedrale ankomme, sind bereits viele Pilger da. Die meisten feiern sich und sehen glücklich aus. Dieses Gefühl will bei mir nicht aufkommen. Zwar bin ich froh, angekommen zu sein und zufrieden alles gut gemeistert zu haben. Trotzdem ist die Traurigkeit grösser. Das habe ich von anderen Pilgern auch schon gehört, dass sie sich so fühlen. Ein kurzer Besuch in der Kathedrale, die im Moment innen saniert wird und mehr aus Baugerüsten besteht, löst auch keine Jubelstimmung aus. Also gehe ich ins Hotel und erkunde später die Alstadt.
Kirchen sind oft verschlossen
Es ist viel Betrieb und verschiedene Pilgergruppen halten Einzug. Irgendwie kann ich diesen Hype um Santiago nicht nachvollziehen. Da geben für mich die spirituellen Orte, wie beispielsweise La Verrna und Assisi auf dem Franziskusweg mehr. Auf dem portugiesischen Jakobsweg habe ich dies vermisst. Der Weg war mehrheitlich landschaftlich sehr schön. Aber wie auf dem Camino Frances sind die meisten Kirchen geschlossen. Das finde ich nicht toll. Für mich gibt es nichts Schöneres als Kirchen zu besuchen. Nicht das ich speziell religiös bin, aber ich mag die Stille und Athmosphäre dieser Orte und liebe es, die Kunstwerke zu bestaunen.
Trotz dessen, durfte ich ein paar wunderbare Menschen kennenlernen und habe so manche schöne Erlebnisse gehabt. Und das Unglaublichste ist, dass ich nicht einmal auf den über 700 Kilometer oder über 1,5 Millionen Schritten nass geworden bin. Das ist in dieser Region fast unmöglich. Den einzigen Tag, an dem es richtig geregnet hatte, verbrachte ich im Hotelzimmer, da mein Knöchel hinüber war. Also bin ich doch ein Glückspilz…
Neue Ziele finden
Morgen geht es nun wieder nach Hause. Der Gedanke wieder einmal normale Klamotten anziehen zu können, hat etwas für sich. Immer in Trekkingsachen unterwegs zu sein, wird mit der Zeit mühsam. Sich wieder richtig zu kultivieren, keinen Rucksack herum schleppen zu müssen und wieder ins normale Leben zurückkehren, steht nun auf meiner Tagesordnung. Obwohl die Pilgerei seinen Reiz hat und ich noch einige Pläne habe. Am meisten reizt mich derzeit der Erzengel-Michael-Weg von Poggio Bustone nach Apulien. Die Weiterführung des Franziskusweges. Wer weiss, vielleicht bin ich schon bald wieder unterwegs.