Pilgerei ist nicht immer einfach
Am Morgen früh dämmere ich endlich in den wohlverdienten Schlaf und erwache erst Stunden später. So starte ich wie gewöhnlich kurz vor elf zu meiner Pilgerei auf den portugiesischen Camino – auf portugiesisch Caminho Portugues. Da meine Unterkunft ziemlich weit vom Startpunkt entfernt liegt, darf ich zuerst einmal nach dem Weg suchen. Keine Vorbereitung heisst auch keinen Stadtplan zu besitzen. Das bedeutet für mich, Leute ansprechen und sie nach dem Weg zu fragen. Die schütteln immer nur verwirrt den Kopf und meinen, das sei viel zu weit und empfehlen mir die Straßenbahn zu nehmen. Als Pilger möchte ich aber zu Fuss pilgern.
Nach einer halben Stunde rät mir ein Polizist, einfach der Strassenbahn Nummer acht hinterher zu gehen. Das tue ich auch. Die Portugiesen fahren lieber Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, als zu gehen. Mein erster Eindruck. Dieser kann und darf sich ja noch ändern.
Pilgern kann lästig sein
Nach rund vier Kilometer komme ich am Ausgangspunkt – die Kathedrale Se – an. Tolle Kirche und vor allem mit der ersten Markierung. Der erste Teil führt aus der Stadt hinaus, alles auf Pflastersteinen und Asphalt. Von diesen Materialien werden meine zarten Pilgerfüsschen heute noch ziemlich verwöhnt. Schon kurze Zeit nach meinem Start, überhole ich eine Pilgerin. Sie ist aus Düsseldorf, heisst soweit ich mich erinnere Andrea, 39 Jahre alt und ziemlich verzweifelt. Sie steht an einer Kreuzung und weiss nicht wohin, trotz GPS und Pilgerführer im Handgepäck. Da mir bewusst ist, wie schwer der Auftakt zur Pilgerei sein kann, erkläre ich ihr die verschiedenen Markierungen. Sie möchte ein wenig mit mir laufen. Widerwillig stimme ich ein. Eigentlich möchte ich nur meinen Frieden und mit mir alleine einsam sein. Zudem muss ich mein Tempo drosseln. Dann fängt sie an zu quasseln und bereits kurze Zeit später, erzählt sie mir von ihren Problemen. Das interessiert mich überhaupt nicht. Und vor allem – steht auf meiner Stirn Seelenklempner oder Sozialarbeiter? Wenn jemand pilgern geht, soll er die Zeit nutzen, um mit sich selbst klar zu kommen. Und nicht andere damit belästigen und zu belasten. So sozial bin ich nicht und will es auch nicht sein. Denn die Pilgerzeit benötige ich für mich selbst, meine Gefühle und Probleme.
Flucht nacht vorne gelingt
Nach ein paar Kilometer muss die blonde Pilgerdame aufs Klo und will danach noch Kaffee trinken. Während sie auf dem Töpfchen sitzt, schreibe ich ihr auf einem Zettelchen, dass ich weitergehe und mache einen französischen Abgang. Weil erklären mag ich mich nicht. Mein Tempo ist ziemlich hoch um Abstand zu gewinnen. Da mir bekannt ist, wo sie heute nächtigen will, gehe ich an meinem geplanten Quartier vorbei und noch zehn Kilometer weiter. Sicherheitsabstand kann richtig befreiend wirken.
Längste Etappe seit langem
Deshalb ist der heutige Tag lang und es kommen 38 Kilometer zusammen. Diese Distanz bin ich schon lange nicht mehr gepilgert. So treffe ich erst um 19 Uhr in der Unterkunft ein. Aber Gott sei Dank, habe ich meinen Frieden. Zudem ist es warm. Ein heftiger Gegenwind auf der gesamten Strecke, lässt die Strecke wie eine kleine Bergetappe auf mich wirken.
Fasten ist gesund
Da mein Start so toll war, beschliesse ich für mich, heute nichts zu essen. Fasten ist für die Seele bekanntlicherweise hilfreich und wohltuend. Und auch der Figur nicht abträglich.